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Deine Lakaien 2018
 Wenn Pippi Langstrumpf jemals eine Funktion gehabt hat, außer zu unterhalten, dann war es die, zu zeigen, dass man Macht haben kann und sie nicht missbraucht. Und das ist wohl das Schwerste was es im Leben gibt.         Astrid Lindgren


Nürnberg, Meistersingerhalle  25.03.2018





Ein bisschen leidtun kann einen die Oma in den letzten Reihen der Meistersingerhalle schon, wie sie da mit den Fingern in den Ohren dasitzt und mit einem Blick irgendwo zwischen Faszination und Entsetzen das Konzert von „Deine Lakaien“ verfolgt. Allzu leise war es wirklich nicht an diesem Abend, deshalb empfehlt es sich bei jedem Konzert zumindest Ohrstöpsel dabei zu haben.  Auch wenn es diesmal auch ohne geht, gerade noch. Aber man muss „Deine Lakaien“ eh laut hören, damit sich jeder Ton so richtig im Körper breit machen kann. Damit nicht nur Kopf und Gehör etwas davon haben, sondern auch Veljanovs Stimme direkt aus der Gruft auch Bauch und Zehen erreicht. Und das tut sie, so beeindruckend und intensiv, wie bisher bei der Band noch nie erlebt. Erst dann entfaltet sich die Wirkung der Musik so richtig. Manchmal gar bis zur Schmerzgrenze. Wie zum Beispiel beim Song „Reincarnation“, der zwischendrin und am Ende mit einem nervtötenden Dauerton schon fast weh tut. Zum Glück wird er dann zumindest vom Schlagzeug übertönt, was das ganze schon wieder erträglicher macht. Man hatte Mitleid mit den Zuhörern.
Über 30 Jahre gibt es das Elektronik-Avantgarde-Gothic-Darkwave Musikprojekt von Sänger Alexander Veljanov und Ernst Horn nun schon, dass als Szeneband gestartet, sich inzwischen zu einem der eindrucksvollsten und außergewöhnlichen Musikprojekt entwickelt hat, dass natürlich extrem polarisiert und zwischen Lieben und Hassen kaum Raum lässt. Nicht nur für die Schwarze Szene, deine Lakaien können alle Musikliebhaber gleichermaßen faszinieren, wenn die nur einmal bereit sind, sich auf die zwei und die famose Band, die an diesem Abend auf der Bühne steht, einzulassen. Mittendrin Tobias Unterberg den die meisten als B. Deutung wohl besser kennen und der mit seinen Celloklängen genauso fasziniert, wie die Violinabteilung mit Katharina "Sharifa" Garrard und Yvonne "Ivee Leon" Fechner. Hinzu kommen Slobodan Kajkut am Schlagwerk, Igor Zotik am Keyboard und Goran Trajkoski an der Gitarre. 30 Years Retrospective bedeutet für das kongeniale Duo musikalisch Bilanz zu ziehen, also auch die 2 weiteren Projekte zu beleuchten, nämlich Veljanov, das etwas gefälligere Soloprojekt des Sängers und Ernst Horns Mittelalter-Elektronik Band Helium Vola, dass er zusammen mit Sabine Lutzenberger nach seinem Ausstieg bei Qntal 2001 gegründet hatte.
Die Spannung im Publikum war fast greifbar, als die Musiker die abgedunkelte Bühne betraten und die ersten Klänge einsetzten. Aber auch fast ohne Bühnenlicht war Alexander Veljanov gut erkennbar. Denn genauso beharrlich, wie sich beide musikalisch treu bleiben, bleibt man sich auch im optischen Erscheinungsbild bis heute treu. Und da scheint der Zahn der Zeit irgendwie an keinen der beiden zu nagen. Veljanov hat noch immer diese eindrucksvolle Mähne, die wohl jeden Friseur erschaudern lässt, der Lust hat öfters mal etwas Neues auszuprobieren. Und Ernst Horn geht auch heute noch als Catweazleverschnitt durch mit seiner Mähne, von der viele Männer in dem Alter nur träumen können. Wäre da nicht der Gang von Ernst Horn, man würde meinen die beiden hätten den Jungbrunnen erfunden. Musikalisch haben sie das auf jeden Fall, egal wie alt die Songs sind, sie sind zeitlos schön und klingen so modern, als wenn sie gestern geschrieben worden wären. Und sie klingen, um das auch in aller Deutlichkeit festzustellen, nicht wie auf der 30 Years Retroperspective CD-Werkschau. Sie sind wesentlich weniger glattgebügelt, wesentlich mehr Avantgarde und kantiger und das macht das Hörerlebnis nur noch beeindruckender Mit der Ballade „Away“ startet der Abend und wie durch Geisterhand bewegen sich die Tasten des Flügels von allein dazu. Praktisch, wenn das Klavier von alleine spielt, blöd nur, wenn an diesem Abend einer der wohl genialsten Tastenstreichler Deutschschlands mit auf der Bühne steht. Was er in der Lage is,t an Tönen allein dem Klavier zu entlocken sucht seinesgleichen. Auch wenn das an diesem Abend gar nicht so wirklich sichtbar bzw. hörbar wird. Dafür wird von Anfang an erlebbar, dass es ein Abend der musikalischen Gegensätze werden könnte, wenn die warme balladeske Eröffnungsnummer in das kühle „Colourize“ übergeht, gefolgt von „Gone“ und „Lonely“.
Richtig magisch wird es dann als sich Ernst Horn erstmals an das Klavier setzt und von zärtlichen Klavierklängen untermalt Helium Volas Stimme Sabine Lutzenberger die Bühne betritt. Besser als mit den Stücken „Mahnung“ und „Dormi  kann man den Reiz den Helium Vola ausmachen musikalisch nicht präsentieren, großartig gesungen ist die Verbindung aus Mittelalter Klassik und Avantgarde ein Erlebnis für sich an diesem Abend. Den Mut nach den wunderschönen klassischen Klängen danach „Over and Done“ als harte Elektronummer zu beginnen muss man erst mal haben. Gegensätze wie sie kaum größer sein können, Gegensätze die den Reiz des Abends aber nur noch erhöhen. Und davon gab es reichlich. Danach gab es wie Veljanov betonte ein Lied zu unserem Lieblingsthema, die Liebe. Es war eine von wenigen kurzen Ansagen an diesem Abend. Mit den Songs „Man with the Silver Gun“ und „The Sweet Life“ war dann die Veljanov Besetzung dran, also ohne Ernst Horn, der inzwischen die Bühne verlassen hatte und passend erst beim Deine Lakaien Song „Return“ zurückkam. Endlich ist der Frühling da stellte Veljanov aufgrund des schönen Sonnentages erfreut fest und passend dazu stimmte ein wunderschönes Geigenintro den Song „Fighting the Green“ an, der letzte vor der kurzen Pause.
Nach der 15-minütigen Pause stimmte das ruhige „Walk to the Moon“ auf den zweiten, genauso spektakulär verlaufenden Teil ein, der mit dem wirklich ziemlich brachial daherkommenden „Contact“ das Publikum aus allen Träumen riss, um danach mit „Where the winds don`t blow“ wieder etwas Tempo rauszunehmen. Zu der Zeit wusste das Publikum, dass selbst ein Telefonklingeln, wenn man Ernst Horn darauf ansetzt, in einem Musikstück gut klingen kann, aber Töne in Musiksongs zu verarbeiten beherrscht er ja eh meisterhaft. Warum soll man Bewährtes ändern, das gilt nicht nur für die Musik der Ausnahmekünstler, sondern auch den Konzertablauf an diesem Tag, so dass erneut Helium Vola mit den Stücken „Begierlich“  „In Dem Hertzen Min“ und „Omnis Mundi Creatura“ die Bühne gehörte. Und erneut erwies sich Sabine Lutzenbergers magische Stimme als absoluter Genuss. „Cupid Disease“ wurde natürlich in kompletter Besetzung präsentiert, bevor Veljanov nach dem eingängigen „Seraphin“ mit „Mein Weg“ dem Publikum zur Abwechslung eine der markantesten Stimmen des Musikbusiness in Deutsch singend präsentierte. Auch ein jazziger Anfang kann da nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies ein durchaus gewöhnungsbedürftiger Versuch ist. Wege sind oft lang stellt er fast philosophisch fest und wenn man ankommt geht es wieder von vorne los. Round and Round also und damit wurde der Bogen zum letzten Veljanov Song des Abends „We can`t turn back“ geschlagen.
Nun gehörte der Rest des Abends ganz allein Deine Lakaien, die nach dem spektakulären, mit monotonen Lärm aufwartende fast wehtuende „Reincarnation“ aufs Ende des Konzertes zusteuerten. „Das geht nun schon 3 Jahrzehnte stellte Alexander Veljanov zufrieden fest und niemand weiß, wo es noch hingeht. Und dabei träumt man von Sternen die einen zuhören …“ schon setzt B. Deutung mit seinem Cello ein und beendet die kurze Ansage mit dem letzten regulären Stück des Abends „Dark Star“. Das Publikum, dass nun fast geschlossen stand forderte vehement Zugabe, einen Wunsch den Deine Lakaien natürlich gerne mit 3 Songs nachkamen.
„Deine Lakaien, es geht weiter, ein Lied“s moderierte Alexander Veljanov „One Night“ an, diesmal ganz akustisch, nur Mr.Klavier Ernst Horn und „The real Voice“ (lieber Tom Jones) erzeugten wieder Erpelpelle vom feinsten.
Mit „Mindmachine“ und der Wucht aller Musiker wurde es danach wieder richtig laut, bis eine gespielte pipsende Technikstörung Ernst Sieber als Lösung des Problems präsentierte und „Overpaid“ folgte.
Erneut stand das Publikum und jubelte den die Bühne verlassenden Musikern zu und die ersten Wahnsinnigen hatten es nun eilig um möglichst schnell die Halle zu verlassen.
Hoffentlich haben sie es geschafft, bevor die Musiker zu „Love me to the end“ nochmals zurückkamen und mit einem furiosen Ende ein faszinierendes Konzert die Krone aufsetzten. Denn dann haben sie die Krönung des Konzertabends verpasst. Gerechter Lohn für unsinnige Hektik und Unhöflichkeit gegenüber den Musikern und dem restlichen Publikum.
Man kann 30 Jahre Musikgeschichte kaum besser präsentieren, als „Deine Lakaien“ an diesem Abend, die mich, obwohl schon einige Male gesehen noch nie so fasziniert haben wie diesmal. Das Licht vom feinsten, ein Sound der keine Wünsche offen lässt und Stimmen für die Ewigkeit bleiben noch lange in Erinnerung. Zumindest solange bis eine hoffentlich erscheinende Live Doppel CD oder DVD den Abend wieder total lebendig werden lässt. Hoffentlich.




Die Bildergalerie des Abends

































































































































































































































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